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15 JAHRE SÜDPOL: Fabian Fuchs im Gespräch
Anlässlich unseres 15. Geburtstags haben wir ehemalige Mitarbeitende und Weggefährt*innen zum Gespräch eingeladen und mit ihnen über ihre Zeit am Südpol gesprochen.
Während der Jubiläumssaison werden an dieser Stelle jeden Monat unterschiedliche Menschen von ihren ganz persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen erzählen.
Die Gespräche führte Carmen Bach, Co-Verantwortliche Kommunikation.
«Schwierige Ausgangslagen finde ich grundsätzlich spannend»
Von wann bis wann und in welcher Funktion hast du im Südpol gearbeitet?
Im Frühling 2010 habe ich begonnen, im Sommer 2014 bin ich gegangen. Primär als Leiter Musikbüro, ein bisschen Koch, Caterer, Hotelier, Sportzenterbetreiber, Gärtner, Velomechaniker, Reinigungskraft, auch mal Lichttechniker und vieles mehr. Damals war alles noch so in den Anfängen, dass wir alle sehr viel Verschiedenes gemacht haben. Genau das war großartig, aber auch verschleissend.
In der Zeit hast du unter drei Chefs gearbeitet…
Da war zuerst Philippe Bischof, leider nur kurz. Dann kam Max Aschenbrenner und dann kamen Patrick Müller und Alex. In viereinhalb Jahren – wahnsinn.
Das Haus war schon immer ein Durchgangsort…
Aber auch Sprungbrett.
Später hast du dann noch ein BWL-Studium drangehängt, aus welchem Grund?
Der MAS Kulturmanagement schien mir damals nicht mehr zu langen, um den vielseitigen Anforderungen, die die Kunst- und Kulturbranche stellte, gewachsen zu sein. Oder einfach ausgedrückt: Ich wollte einfach noch etwas «Richtiges» machen. Mir persönlich auch Türen öffnen.
Wie hast du damals deiner Mutter erklärt, was du am Südpol machst?
Eigentlich gar nicht. Wie soll man das denn erklären? Am einfachsten wäre gewesen: Ich organisiere Konzerte. Es war natürlich unglaublich viel mehr, wie bereits vorhin erwähnt. Wenn man nicht selber an einem solchen Ort arbeitet, kann man das nur schwer nachvollziehen.
Was hat dich damals zum Südpol gebracht?
Das war eine glückliche Fügung. Ich war damals noch im Treibhaus, habe da Konzerte organisiert. Dann kam Eva Heller auf mich zu und hat mich motiviert, mich auf die frei gewordene Stelle als Nachfolger von Christoph Linder zu bewerben. Da war ich 23 Jahre jung und hatte zu Beginn das Gefühl, dass das eine Nummer zu gross für mich ist – aus irgendwelchen Gründen hat die Leitung damals aber an mich geglaubt. Die Fussstapfen von Christoph waren aus musikalischer Sicht aber sehr gross.
Aber es hat dich ja nicht so sehr eingeschüchtert, dass du dir das nicht zugetraut hast, oder?
Nein, denn von diesen Stellen gab es in der Schweiz damals vielleicht eine Hand voll. Das musste ich einfach versuchen. Mut hat mir gemacht, dass ich in der Stadt Luzern relativ gut vernetzt war. Es war also eine grossartige Chance, die ich nutzen durfte und wofür ich immer noch dankbar bin.
Wie war dann der Übergang für dich, ist die Anspannung schnell verflogen?
Der Anfang war für mich schräg. Ich hatte eine Übergangsphase mit Christoph, die mich zu Beginn ganz schön eingeschüchtert hat. Ich musste meinen eigenen Weg finden, weil ich Christoph schlichtweg nicht ersetzen konnte. Ich habe etwas mehr «Popmusik» und ein bisschen weniger Kunst programmiert und es hat funktioniert. Auch weil ich vom damaligen Team und Netzwerk getragen wurde.
Abgesehen von den Menschen, was gab es am Südpol, was es sonst nirgends gab?
Der Südpol war damals speziell, weil er aus dem Boden gestanzt wurde, sowohl baulich als auch konzeptuell. Und die Akzeptanz hat grösstenteils gefehlt – er war von Beginn an chancenlos. Besonders dieser Aspekt hat mich angezogen. Schwierige Ausgangslagen finde ich grundsätzlich spannend. Wenn du irgendwo reinkommst, wo alles läuft, kannst du nur verlieren. Damals im Südpol konnten wir nur gewinnen.
Was macht den Südpol liebenswert, weshalb hast du dich hier so wohlgefühlt?
Ich glaube man verwächst mit solchen Häusern und den Menschen, die darin arbeiten. Was auch Schattenseiten hat. Wir haben sehr oft sehr wenig geschlafen und die gesamte Wachzeit im Südpol verbracht. Wir waren der Südpol. Das war Liebe.
Apropos Liebe: Was war dein Lieblingsort, wo warst du am liebsten?
Im Artist-Apartment und in der Anlieferung auf der Hebebühne, da habe ich zwischenzeitlich, während ich auf die Ankunft der Bands gewartet habe, meine Fahrräder repariert.
An welche besonderen Momente und Menschen erinnerst du dich? Was ist dir geblieben?
Ich sehe die Menschen von damals nicht mehr regelmässig, aber wenn ich sie sehe, ist gleich viel Energie von damals wieder da. Die gemeinsame Zeit war intensiv und hat Bindungen fürs Leben geschaffen. Momente gab es unzählige schöne. Ich würde sogar sagen, dass viele meiner stärksten Momente im Südpol stattgefunden haben.
Was machst du heute?
Ich bin Coiffeur. Um den Bogen zu schliessen: Ich wollte wieder mal etwas «Richtiges» machen. Und die vorhin erwähnten starken Moment finde ich heute in der Natur, in den Bergen.
Und was hast du zwischen Südpol und Coiffeur gemacht?
Nach dem Südpol durfte ich noch das Treibhaus leiten, dann war ich lange auf Reisen und danach habe ich eine Coiffeur-Lehre absolviert.
Und wieso hast du die Kulturarbeit hinter dir gelassen?
Während dem Reisen wollte ich mich ursprünglich für weitere Jobs im Kulturbereich bewerben und mich nochmals immatrikulieren lassen an der Universität. Schon bald hat sich mein Körper aber dagegen gewehrt. Mir gings ganz schön dreckig und ich wurde gezwungen, mir nochmals Gedanken darüber zu machen, was ich wirklich will. Mir wurde bewusst, dass ich gerne konkreter arbeiten möchte. Also eine Arbeit ohne Ausschuss, sprich Projekte, die nur den Drucker überleben und danach im Altpapier landen und ohne Ergebnisverzögerung. Da bleibt fast nur das Handwerk.
Und wo kam das her, wolltest du das schon immer mal machen?
Ja. Mein Grossvater, mehrere Onkel und Tanten sind alle Coiffeure, ich bin sozusagen damit aufgewachsen. Ich habe schon früh gesagt, dass ich das dann irgendwann machen werde, musste einfach den richtigen Zeitpunkt abwarten.
Vermisst du dein altes Kulturleben manchmal?
Nein. Irgendwie ist mir die Branche zu wenig dynamisch. Manchmal kommt es mir vor, als wäre die Bubble in einem Loop gefangen. Alle Herausforderungen und zum Glück natürlich auch die Schönheiten wiederholen sich dabei ständig. Es scheint mir auch aufgrund der strukturellen Gegebenheiten schwierig, diesen Loop zu durchbrechen, zumindest auf der Ebene der Organisation.
Wärst du heute woanders, wenn du nicht am Südpol gearbeitet hättest?
Nein. Ich wäre wahrscheinlich einfach früher Coiffeur geworden.
Und jetzt arbeitest du endlich was «Ordentliches»…
Vor allem muss ich jetzt nicht mehr erklären, was ich arbeite, womit ich mein Geld verdiene. Ich schneide und färbe Haare.
Was hast du am Südpol gelernt, was dir heute noch weiterhilft?
Stimmungen kreieren, die viel Energie freisetzen können. Manchmal auch nur für einen Abend. Das macht ein guter Gastgeber aus. Und wir waren ja schlussendlich auch sehr oft einfach Gastgeber. Diese Fähigkeit kann ich auch heute als Coiffeur noch gut gebrauchen.
Was verbindet dich heute noch mit dem Südpol?
Als Gast war ich in den letzten Jahren sehr selten hier anzutreffen. Ich brauchte Distanz, weil ich mich früher so sehr mit dem Ort und meiner Arbeit identifiziert hatte. Was geblieben ist, sind sehr viele schöne Erinnerungen und auch Freundschaften und Bekanntschaften aus dieser Zeit.
Wenn der Südpol ein Teenager wäre, was würdest du ihm für die nächsten 15 Jahre mit auf den Weg geben?
Es ist toll zu sehen, wie viel sich hier verändert hat in den letzten Jahren. Die ganze Gegend ist inzwischen viel belebter. Ich wünsche dem Südpol, dass er diesen Resonanzraum auf verschiedenen Ebenen nutzen kann und sich weiterhin zu wandeln vermag.