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15 JAHRE SÜDPOL: Remo Bitzi und Marc Schwegler im Gespräch
Anlässlich unseres 15. Geburtstags haben wir ehemalige Mitarbeitende und Weggefährt*innen zum Gespräch eingeladen und mit ihnen über ihre Zeit am Südpol gesprochen.
Während der Jubiläumssaison werden an dieser Stelle jeden Monat unterschiedliche Menschen von ihren ganz persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen erzählen.
Die Gespräche führte Carmen Bach, Co-Verantwortliche Kommunikation.
«Viel Power, viel Geduld»
Von wann bis wann und in welcher Position habt ihr im Südpol gearbeitet?
Remo Bitzi: Da musst du anfangen, du warst zuerst da.
Du hast unterschiedliche Funktionen durch…
Marc Schwegler: Ich habe Philippe Bischof und Christoph Linder im Frühling 2008 kennengelernt und habe 2009 angefangen hier zu arbeiten – zunächst als Leiter Kommunikation. Als Philippe nach Basel berufen wurde, habe ich zusammen mit Daniela Krienbühl interimistisch die Gesamtleitung des Hauses übernommen, bis Max Aschenbrenner kam. Schon unter Philippe hatte ich angefangen Club-Events zu buchen und zu veranstalten, was dann unter Max auch eher offiziell zu einer Aufgabe wurde. 2012 habe ich den Südpol dann verlassen und bin nach Basel gezogen.
Was hast du in Basel gemacht?
MS: Nochmal studiert und das Musikprogramm kuratiert fürs Haus der elektronischen Künste HeK. Danach habe ich zusammen mit Eva Heller, mit der ich am Südpol ja schon gearbeitet habe, ein paar freie Projekte in Basel gemacht. 2017 bin ich wieder zurück nach Luzern. Kurz darauf trat der Südpol-Vorstand zurück und der Südpol sah sich mit einer veritablen Krise konfrontiert. Weil ich mich dem Haus immer noch verbunden fühlte, habe ich das Vereinspräsidium übernommen und mit einem neuen Vorstand den Südpol von 2018 bis 2020 neu aufgestellt und den Weiterbetrieb gesichert. Der Südpol hat mich in verschiedener Form also schon recht lange begleitet.
Ihr beide habt euch hier kennengelernt, wann bist du dazugekommen, Remo?
RB: Ich bin als Gast ins Haus gekommen, vor allem wegen der Musik – so haben Marc und ich uns kennengelernt. Und dann habe ich quasi ganz unten angefangen: Ich arbeitete neben dem Studium etwa zwei Jahre lang an der Kasse und habe während der Zeit unglaublich tolle Sachen gesehen – das war während dem Wechsel von Philippe auf Max. Nach meinem Kassendienst konnte ich mir jeweils die Vorführungen anschauen, was sehr prägend war. Mir wurde internationale Spitzenkunst auf dem Silbertablett präsentiert – etwa Arbeiten von Künstler*innen wie Geumhyung Jeong, Angela Schubot + Jared Gradinger, White on White oder James Unsworth. Später habe ich als externer Veranstalter am Haus Konzerte und Club-Veranstaltungen organisiert. 2016 habe ich die Leitung Kommunikation übernommen. In der Krise 2018 übernahm ich dann ebenfalls interimistisch die Geschäftsleitung. Im Anschluss an diese Zeit haben Marc und ich mit einem weiteren Freund eine Agentur gegründet.
Wie habt ihr eurer Familie erklärt, was ihr hier macht?
MS: Der Südpol ist schon immer ein Politikum gewesen, und war seit Beginn immer wieder ein Thema in der Lokalzeitung. Mich fragen heute immer noch Leute, wie es denn so mit dem Südpol läuft… Was wir hier eigentlich machten und wollten, haben aber glaube ich die wenigsten meiner Verwandten und Bekannten verstanden. Der Südpol ist ja auch speziell: Ein öffentlich subventionierter Kulturbetrieb in einer Kleinstadt, der sich auf komplizierte freie performative Kunst spezialisiert – das ist ja schon fast dekadent… Das Publikum für die Inhalte war dementsprechend überschaubar. Das Haus war ja primär Gegenstand von lokalen kulturpolitischen Diskussionen, Bedürfnissen und Abhängigkeiten.
Ihr wart also nie richtig frei? Ihr konntet nicht euer Ding machen?
MS: Das klingt mir zu sehr nach 80er Jahre. Dass sich die politischen Entscheidungsträger nicht im Detail für diese Kunst interessieren, ist eigentlich logisch. Zudem hat ja vor allem die lokale Tanz- und Theaterszene grosse Ansprüche an den Südpol, mit denen umzugehen ist. Das Haus war eigentlich immer Gegenstand von Verhandlungen; es wurde ja auch nicht erkämpft, sondern städteplanerisch verordnet.
RB: Für mich war der Südpol in erster Linie ein Geschenk. Er ist mir als Angebot in den Schoss gefallen. Der Südpol war neu und clean und er war inhaltlich international anschlussfähig. Und das kannte ich nicht in dieser Stadt. Viele andere Veranstaltungsorte hatten in meinen Augen einen filzigen Beigeschmack, der mich ein bisschen abgeturnt hat.
Was gibt es im Südpol, was es sonst nirgends gibt?
RB: Für mich war es damals ein Ort, von dem ich nicht wusste, dass es ihn überhaupt gibt. Ich wusste nicht, dass man Dinge, wie sie im Südpol stattfanden, auf Bühnen zeigen kann.
MS: Ja, es war auch für mich ein Ort, an dem deine Wahrnehmung herausgefordert wurde, ein Ort, an dem du neu sehen, hören, verstehen lerntest.
Gab es für euch besondere Orte im Haus?
MS: Der Club war am Anfang sehr wichtig für mich. Dank der Arbeit von Leuten wie Felix Lisske oder Martin Meier und anderen Experten entstand ein Raum mit einem wahnsinnig tollen Sound für elektronische Musik, der das nachzubilden vermochte, was ich zuvor in London oder Berlin gesehen und gehört hatte. Und der Club war für mich das Eingangstor zu den anderen Kunstformen im Haus – ich kam dadurch mit Performance, mit Tanz, mit Bühnenkunst in Berührung. Und mit Räumen wie der mittleren Halle und so mit einem interessanten und für mich damals neuen Setting für Musik und Performance.
Wärt ihr heute woanders, wenn ihr nicht hier gearbeitet hättet? Wo wärt ihr gelandet?
RB: Keine Ahnung. Manche Dinge wären früher oder anders passiert. Wir hätten uns sowieso irgendwo kennengelernt.
Was habt ihr hier gelernt, was euch heute noch weiterhilft?
MS: Mein Sensorium und mein Geschmack sind hier geschärft, auf die Probe gestellt und geprägt worden. Das spielt für mich immer noch eine wichtige Rolle: Einen klaren Blick und ein Gespür für spannende Geschichten, Klänge, Bilder zu haben. Und was ich auch gelernt habe: Krisenmanagement. Und damit auch: Sich abgrenzen. Wie sehr verausgabt man sich für seinen Job? Was ist mir das alles wert – und was nicht?
RB: Ich habe gelernt, dass sehr vieles möglich ist, möglich gemacht werden kann. Und nicht, weil es jemand wollte, sondern weil es einfach passiert ist, weil es sich so ergeben hat.
MS: Das Haus hat einen gewissen Verschleiss von Leuten und das ist auch okay und liegt in der Natur der Sache. Aber Prekarität und Verausgabung sind symptomatisch für den Kulturbetrieb allgemein – und das sehe ich inzwischen sehr kritisch.
Wenn der Südpol ein Teenager wäre, der seinen 15. Geburtstag feiert, was würdet ihr ihm mit auf den Weg geben?
RB: Der Südpol ist auf eine seltsame Art zu schnell erwachsen geworden. Ich wünsche ihm, dass er immer mal wieder in seine frühe Jugend zurückfindet – und unbeschwert ausprobiert.
MS: Viel Power, viel Geduld und viel Goodwill von Politik und Öffentlichkeit.
Foto: Isle of Jura, Herbst 2023